Im Oberdorf befinden wir uns im ältesten Teil von Frick. Bei Bauvorhaben stösst man häufig auf Funde aus der Römerzeit, denn die Strasse zwischen Vindonissa und Augusta Raurica führte hier vorbei, bevor es den Adler gab. Wenn man sich das mittelalterliche Haufendorf mit den um den Kirchhügel gruppierten Häusern vorstellt, kommt man zum Schluss, dass der Adler wohl das älteste Gasthaus von Frick ist. Vermutlich ist es um 1240 mit dem benachbarten Spital von den Homberger Grafen gegündet worden. Wirtshäuser mit dem Namen "Adler" - das als Faustregel - zeigen uns immer, dass wir uns in ehemals österreichischem Gebiet befinden; sobald wir "Bären" antreffen, ist klar, dass wir uns in der alten Schweiz von bernischen Gnaden befinden.
Arzt im Adler, um 1750
Nach der ältesten bekannten Häuserliste zählte Frick 1412 35 Gebäude, von denen allerdings keines als Gasthaus bezeichnet ist. Das Wachstum zum Strassendorf setzte erst mit zunehmender Bedeutung des Verkehrs über den Bözberg ein. Entlang der Hauptstrasse entstanden dann beidseits geschlossene Häuserzeilen und Gasthöfe mit grossen Pferdestallungen. Wir hatten ja schon zu österreichischer Zeit die 4 altbekannten Tavernen: den Engel zuoberst im Dorf, hier den Adler, den Rebstock im Mitteldorf und den 1963 als Bausünde abgebrochenen Löwen im Unterdorf. Die Wirtsleute zählten zu den angesehenen und wohlhabenden Dorfbewohnern, soweit sie sich nicht dem Trunke ergaben. Eindeutige Spitzenreiter waren die Mösch, die jahrhundertelang nicht nur den Adler sondern auch den Engel und den Rebstock besassen. Die Voraussetzungen für gute Geschäfte waren hier im Marktflecken am Knotenpunkt der Jurapässe geradezu ideal. Sogar die örtliche Rechtsprechung begünstigte die Wirte. Das aus dem Homburgervogt und 12 Geschworenen bestehende Gericht tagte bei einem Gasthaus, und ich zitiere aus der Gerichtsordnung:"Von einer jeden Fertigung, es seye Tausch, Kauff, Vermächtnuss oder Versicherung, gebührt dem Gericht 6 Mass Wein, dafür das Gelt, wass es im Würthshauss kostet, gegeben wirdt." Manchmal wurden offenbar mehr Rechtsgeschäfte getätigt als für die Ordnung in der Gemeinde gut war. Caspar Scherenberg notierte jedenfalls am 27. Hornung 1708 ins Dorfbuch, dass es inskünftig für Geschworene kein Zehrgeld mehr gebe ausser bei Verabschiedung der Gemeinderechnung. Bissig schliesst er die Aufzeichnung mit dem Hinweis: "also ist das unnötige Fressen und Sauffen abgestelt!" Die tüchtigsten Wirtsleute waren die Engel-Mösch. Man sagt, dass ihr Einfluss bis nach Wien reichte. Sie stellten die letzten Homburger Vögte und nach 1803 die ersten Gemeindeammänner von Frick.
Ich habe einmal berechnet, dass 1840 nicht weniger als 62'000 Liter Wein in Engel-Kellern lagerten. Riesige Rebflächen und ab 1843 auch eine Bierbrauerei gehörten zu diesem Imperium. Vorher allerdings hatten mehrere Scherenberg-Generationen aus dem Löwen das Dorf fest in ihrer Hand. Sie stellten mehrere Obervögte der Landschaft Fricktal und weitere bedeutende Persönlichkeiten.
Josef Schmid gelang es 1761 als einziger, das bedeutende Homburger Vogtamt den lokalen Dynastien Scherenberg und Mösch für ein Vierteljahrhundert zu entreissen. Allerdings erhielt er aber 1775 einen oberigkeitlichen Rüffel, weil er "jahrelang untätig zugeschaut, wie sich der Rebstockwirt Xaver Mösch durch nachlässige Wirtschaftsführung immer mehr verschuldete".
Der Adler, um 1900
Post vor Adler
Der Adler war schon in früheren Zeiten für Wildspezialitäten bekannt, und eine weitere Spezialität im Hause Adler war und ist der Fisch, wie dies ein Bericht von ca. 1720 schon dokumentiert:
Offensichtlich musste man Gegenrecht halten, weil der Scherenberg im Löwen ebenfalls eine Fischtrog-Zuleitung besass. Nach Scherenbergs Tod wurden beide "Brunröhrlein" wieder abgestellt, weil solches nur dem Herrn Statthalter nicht aber seinen Erben bewilligt worden war. Sie sehen, dass in der guten alten Zeit - ganz anders als heute - recht oft personen - statt sachbezogen politisiert wurde.
Der letzte Adler-Mösch starb jung im Jahre 1828 und hinterliess den 11 jährigen Sohn Kasimir Mösch, der später in Geologie doktorierte, in Zürich habilitierte und Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz verfasste. Der Adler aber wurde 1831 von Franz Xaver Stocker aus Möhlin ersteigert und später dem Schwiegersohn, Bezirksarzt Ignaz Ries, übergeben. Seine Tochter heiratete dann 1890 den Stammvater der Aerztefamilie Simonett.
In Frick hatte es nämlich immer wenigstens zwei Aerzte, der eine praktizierte im Engel, der andere - Dr. Simonett - im Adler. Von der Familie Ries erwarb der Weinhändler Matter aus Breitenbach den Adler, den er 1905 an die Familie Rüfenacht verkaufte, die viele von uns noch als Wirtsleute vor der Familie Glaus gekannt haben.
Der Wirt Matter muss vor bald 100 Jahren ein Schwalben-Fan gewesen sein, denn er bohrte oben ein Loch in die Eingangstüre, durch das die Schwalben in die Gaststube schlüpfen konnten. Deshalb widmete ihm ein Herr Miville aus Basel das Gedicht "s'Schwalbenest bim Adlerwirt", dessen letzte Strophe lautet:
Schweinemarkt vor dem Adler, um 1920
Fuhrmann Ernst Lerch, um 1930 bei der Gartenwirtschaft zwischen "Adler" und dem alten Spital. Im hinteren Haus befand sich das erste provisorische Milchlokal.
Der altehrwürdige Adler war aber auch Schauplatz bedeutungsvoller historischer Ereignisse. In diesem Hause waren am 23. September 1802 33 fricktalische Ortsvorsteher zu einem Landtag versammelt und setzten Dr. Sebastian Fahrländer, den Gründer des Kantons Fricktal, samt seinen Behörden ab. Am 27. März 1869 traten hier die drei Bezirkskomitees von Rheinfelden, Laufenburg und Brugg zusammen und gründeten das "Bötzbergbahn-Komité". Damit wurde der Grundstein für den endlich erfolgreichen Bahnbau gelegt, der nicht nur das Erscheinungsbild und Wachstum unseres Dorfes sondern die Entwicklung des ganzen Fricktals massgeblich beeinflusst hat
Hanni und Kurt Glaus dürfen sich glücklich schätzen, ein so wertvolles Gasthaus zu besitzen. Der Adler ist für unsere Bevölkerung ein offenes Haus der Begegnung mit gastlichen und kooperativen Wirtsleuten.
Textautor: Heinz Schmid, Gemeindeschreiber Gestaltung: Franco Scapin Regie: Ernst Sen